Über die Tapferkeit

Das Wort „Tapferkeit“ mag in manchen Ohren heute etwas altmodisch klingen. Dennoch ist das, was es bezeichnet, nach wie vor aktuell. Vielleicht ist auch gar nicht mehr bekannt, welche Bedeutung die „Tapferkeit“ in der katholischen Kirche hat. Sie ist nämlich eine der vier sogenannten „Kardinaltugenden“ (Klugheit, Gerechtigkeit, Maß und eben die Tapferkeit).

Daneben gibt es noch die drei göttlichen Tugenden – Sie kennen sie aus dem 1. Korintherbrief des Apostels Paulus: Glaube, Hoffnung und Liebe. Den Rosenkranz-Betern sind sie natürlich auch bekannt – es sind die drei Perlen, die wir „auf dem Weg“ zu den folgenden fünf Gesätzen beten.

Die Kardinaltugenden sind uns durch unsere Natur gegeben, die göttlichen Tugenden sind Gaben des Heiligen Geistes. Diese sieben Tugenden beschreiben den Weg der Christusnachfolge. Indem ein Mensch sie verwirklicht, strebt er danach, Christus immer ähnlicher zu werden. Zugleich versucht er, zu dem Menschen zu werden, als den Gott ihn von Anfang an gedacht hat. Man geht also, wenn man in seinem Leben diese sieben Tugenden verwirklicht, der Frage nach: Wer bin ich eigentlich? Und: Gibt es vielleicht Dinge, die dieses „Wer bin ich?“ mit der Zeit überlagert haben? Ein tugendhaftes Leben ist also nicht die Erfüllung einer als mühselig empfundenen Pflicht, eher geht es darum, das eigentlich von mir Gewollte zu entdecken – es sozusagen „freizulegen“.

Ich möchte in dieser kleinen Katechese also eine der vier Kardinaltugenden herausgreifen – die Tugend der Tapferkeit.

Wer in dieser Welt das Gute verwirklichen will, der hat mit Widerständen zu rechnen. Doch zunächst einmal: Was ist das eigentlich, „das Gute“? Für uns Christen ist das letztlich die Gemeinschaft mit Gott, und alles gute Handeln gegenüber unseren Mitmenschen ist dann eine Folge dieser Gemeinschaft.

Die Tapferkeit ist nun diejenige Tugend, die uns dabei hilft, am Guten festzuhalten, auch wenn wir dabei Verletzungen und Nachteile in Kauf nehmen müssen. Das kann geschehen im Rahmen von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, aber auch im Zusammenhang mit innerkirchlichen Streitigkeiten über die Frage: Was ist eigentlich heute für uns Christen „gut“ und „wahr“? Hat sich daran vielleicht etwas geändert mit der Zeit? Wer dann darauf beharrt, dass es Dinge gibt, die für uns Katholiken überzeitliche Gültigkeit haben – in Fragen des Glaubens und in Fragen der Moral – der wird mit Ausgrenzung rechnen müssen. Er muss also tapfer sein.

Tapferkeit meint nicht eine „Furchtlosigkeit“ in dem Sinne, dass man Dinge verharmlost, die wirklich „furchteinflößend“ sind, weil sie uns bedrohen. Aber für den Christen haben diese Dinge ihre Bedeutung vor dem Hintergrund einer anderen Furcht – der „Gottesfurcht“. Das ist die Furcht davor, unsere Beziehung zu Gott könnte verloren gehen – unsere Liebe zu ihm könnte abnehmen. Von daher erhalten all unsere anderen Ängste eine neue Bedeutung, und sie erscheinen in diesem Licht vielleicht weniger furchteinflößend als bisher.

Dass wir eine Herausforderung „gottesfürchtig“ und tapfer bestehen – dazu verhilft uns letztlich Gott. Das Urbild dafür sind natürlich die christlichen Märtyrer, die für ihren Glauben in den Tod gegangen sind.

Wir sind, wenn wir unseren Glauben leben und bekennen, heute wohl nicht mehr an Leib und Leben bedroht, aber möglicherweise drohen uns Intoleranz und Isolierung, die wir nur mit Tapferkeit bestehen können.

Martin Hohmann

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